„Wunsiedel ist bunt“ statt „Heldengedenken“

Datum: 27.11.2023

Kategorie: News

Erstmals seit 35 Jahren hat die extreme Rechte freiwillig auf ein sogenanntes „Heldengedenken“ verzichtet. Veranstaltungen und Aktivitäten der Zivilgesellschaft gab es trotzdem. Die Mobile Beratung hat diese Entwicklung für den „Bayerischen Rundfunk“ eingeordnet.

Seit Jahren marschiert die extreme Rechte einmal pro Jahr in Wunsiedel auf – dem Ort, an dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß seine mittlerweile aufgelöste Grabstätte hatte. Oder sie wollte es zumindest versuchen, scheiterte aber an gerichtlichen Verboten oder Corona-Auflagen. Seit Jahren ruft die Zivilgesellschaft zum Gegenprotest auf. 

Nicht so dieses Jahr: Die Bürger:innen von Wunsiedel feierten zwar ein Fest für Frieden, Demokratie und Toleranz, es gab einen Protestzug der Antifa. Aus dem extrem rechten Spektrum aber war keine Veranstaltung geplant. Mithilfe der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern hat der „Bayerische Rundfunk“ diese Entwicklung analysiert und eingeordnet. 

Starke Zivilgesellschaft, schwache Neonazi-Partei

„Das Wegbeleiben der Neonazi-Partei ‚Der III. Weg‘ und ihres Anhangs ist natürlich erstmal erfreulich – und sicherlich auch mit ein Ergebnis der langjährigen Proteste der Zivilgesellschaft vor Ort“, so Jan Nowak von der Mobilen Beratung gegenüber der Bayern-2-Sendung „regionalZeit“. „Gleichzeitig muss man aber auch so ehrlich sein zu sagen, dass das Wegbleiben ganz viel mit der aktuellen Schwäche der Neonazi-Partei ‚Der III. Weg‘ zu tun hat“, fügt er hinzu. 

Die Entwicklung in Wunsiedel sei also nicht nur ein Sieg der Zivilgesellschaft, sondern auch ein Ausdruck einer Mobilisierungsschwäche im extrem rechten Spektrum. „Es ist seit Jahren in der international vergleichenden Rechtsextremismus-Forschung eine im Raum stehende These, dass Länder, in denen es eine gut etablierte parlamentarische Kraft des Rechtsextremismus gibt, dazu tendieren, im Bereich des subkulturellen Rechtsextremismus eine gewisse Schwäche zu entwickeln“, analysiert Nowak. Diese Tendenz könne man auch in Deutschland beobachten, seit die AfD immer mehr Wähler:innen-Stimmen bekommt.  

Rechtsextreme positionen normalisieren sich

Für die Zukunft sei es wichtig anzuerkennen, dass der Rechtsextremismus kein Phänomen des gesellschaftlichen Rands ist, so der Berater. Man müsse sich dem Phänomen über die Inhalte nähern – also Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus als Kern extrem rechten Denkens. Dann entdecke man auch heute genug Phänomene, denen man sich leider auch heute auf der Straße entgegenstellen müsste. 

„Es ist sicherlich nicht weniger geworden, was zu tun ist, sondern mehr“, so Nowaks Fazit. „Und es ist komplizierter geworden, weil man nicht mehr nur über eine Gruppe spricht, von der man sich leicht abgrenzen kann, sondern weil die Auseinandersetzungen weit in die Mitte reichen und damit auch den Arbeitsplatz, den Verein oder die Familie betreffen – weil auch dort entsprechende Positionen formuliert werden und Rechtsextremismus sich normalisiert.“ 

Das Logo der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern.
Zurück

Weitere Informationen