Mehr als 100 Personen sind zum Fachtag der Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus nach München gekommen. Das Thema lautete „Dominant, stark, rechtsextrem? Männlichkeitsvorstellungen als Faktor für gesellschaftliche Radikalisierung“. Dazu gab es Gesprächsbedarf bei Fachkräften, die sich im politischen, pädagogischen oder wissenschaftlichen Bereich mit Gender und Radikalisierung befassen: Der Fachtag war schon nach kurzer Zeit ausgebucht. Auf der Veranstaltung hat sich das bestätigt: Das Thema Männlichkeitsvorstellungen beschäftigt viele Menschen sehr. Sie halten eine gesellschaftliche Auseinandersetzung damit für dringend nötig.
Wie kommt es zu einer Radikalisierung?
Das Programm begann mit einem Vortrag des Psychologen und Soziologen Markus Theunert aus der Schweiz, der die Fachstelle männer.ch leitet. Theunert ist Experte für geschlechterreflektierte Arbeit mit Männern, Jungen und Vätern. Er sprach darüber, welche Faktoren für eine männlichkeitsideologische Radikalisierung ausschlaggebend sind. Theunert erklärte, welche Auseinandersetzungen um Männlichkeit aktuell stattfinden, welche Trends dabei auffallen und welche Herausforderungen sich daraus ergeben. Er betonte außerdem, wie wichtig ein struktureller Blick auf männlichkeitsideologische Radikalisierung ist. Es brauche eine flächendeckende Verankerung von Jungenpädagogik, die aus einer patriarchatskritischen Perspektive arbeitet.
Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis
Anschließend fand ein moderiertes Gespräch zwischen Johanna Rükgauer und Andreas Schmiedel statt. Rükgauer ist Sozialwissenschaftlerin bei Dissens und forscht unter anderem zu Männlichkeiten und Geschlechterverhältnissen in der extremen Rechten. Schmiedel ist Leiter des Münchner Informationszentrums für Männer. Es ging vor allem darum, wo die Auseinandersetzung mit Männlichkeit und Radikalisierung gerade spürbar ist, wie Fachkräfte damit umgehen und welche Erkenntnisse aus der Forschung zur Manosphere man ziehen kann.
Außerdem versuchten die beiden Referierenden und die Moderation, gemeinsam Möglichkeitsräume zu entwickeln und aufzuzeigen, wie sich Männlichkeit auch progressiv gestalten lässt. Es sei wichtig, geschlechterreflektierte Pädagogik mit Erfahrungs- und Schutzräumen für junge Menschen zu fördern. Es gelte, sowohl Empathie als auch Haltung zu vermitteln – und im Zweifel klare Stopp-Signale zu senden. Zum Beispiel durch erlebnispädagogische Angebote könnten junge Menschen den Umgang mit Grenzen verhandeln sowie gesellschaftliche Strukturen und Vorstellungen konstruktiv hinterfragen.
Workshops geben wertvolle Impulse
Am Nachmittag fanden drei Panels statt, die die Themen des Vormittags noch einmal vertieften. Markus Theunert gestaltete ein Panel zur Frage, wie pädagogische Fachkräfte, Eltern oder Behörden auf männlichkeitsideologische Radikalisierungsdynamiken reagieren können. Es ergab sich ein produktives Gespräch, in dem sich die Teilnehmer:innen über viele Bedarfe austauschten.
Johanna Rükgauer ging in ihrem Panel näher auf die Manosphere mit ihren Akteuren und Dynamiken ein. Dabei zeigte sie auch Videos aus der Szene. Es entwickelte sich eine rege Diskussion über das Material und die Probleme, die sich daraus ergeben. Im dritten Panel stellten die Pastinaken, ein Netzwerk für politische Bildung, ihr Konzept zur geschlechterreflektierten (Jungen-)Pädagogik vor.